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Vom Frieden mit dem Unfrieden

In der Herde gibt es seit einiger Zeit ein neues Mitglied. "Herr Rüpelpferd" und ich hatten keinen so richtigen Zugang zueinander. Das passiert mir recht selten. Die meisten Pferde berühren mich in ihrem individuellen Ausdruck und lassen mein Herz weit werden. Herr Rüpelpferd allerdings triggert mich. Er verhält sich rücksichtslos und raumnehmend. Ich verstehe mental, dass er unschöne Erfahrungen gemacht, bestimmte Dinge nicht gelernt hat und sich in stressigen Situationen eben so verhält. Emotional bringt er mich aber zum Kochen. Ich werde wütend. Eine Stimme in mir trägt mir die genannten Gründe vor. Ich sollte nicht wütend werden, das ist unfair und Quatsch. Ich sollte ihn annehmen, wie er ist und in den Frieden gehen. Guter Hinweis, doch für mich in diesem Fall eine Tarnung, um die Emotion Wut nicht zu fühlen, sie wegzudrücken. Es ist kein wirklicher Frieden. Es ist Ignoranz, die sich als Frieden tarnt. Ich erkenne es daran, dass die Emotion bestehen bleibt und sich weiterhin immer wieder im Zusammensein mit Herrn Rüpelpferd entlädt (gewaltfrei). Ich ziehe sein Verhalten an und es kann sich so nicht ändern, weil ich es ablehne. Es wird bestehen bleiben, bis ich loslasse und wahrer Frieden einziehen kann.
Also habe ich mich hingesetzt und mir wirklich erlaubt dieses Pferd nicht zu mögen. Mir erlaubt unfriedlich zu sein, weil ich gerade keinen wirklichen Frieden ihm gegenüber empfinden kann. Ich habe Frieden geschlossen mit meinem Unfrieden. Habe die Emotionen erlaubt und nicht weggedrückt.
Und plötzlich nähern wir einander an. Ich begegne Herrn Rüpelpferd weiterhin mit Vorsicht, doch ich explodiere nicht mehr, wenn ich ihn sehe. Er hingegen begegnet mir mit mehr Rücksicht. Tag für Tag entfaltet sich mehr Frieden mit diesem Pferd und wir beginnen einander wahrhaft zu sehen.
Ich habe die Einladung des gemeinsamen Seins angenommen, mich zur Herde gesetzt und durfte beobachten, wie wir alle loslassen konnten. Einer nach dem anderen hat gekaut, geleckt und gegähnt. Da ist der Frieden doch noch eingekehrt.
Denn plötzlich pustet mir ein Pferd ins Gesicht, dass vorsichtig, rücksichtsvoll und liebevoll mit mir umgeht.