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Hochsensibilität und Abgrenzung

Abgrenzung und Grenzen setzten, ein allseits bekanntes Thema und doch so schwer. Gerade bei hochsensiblen und hochsensitiven Personen sind diese beiden Themen von großer Wichtigkeit. Denn wenn wir alle Reize ungefiltert aufnehmen und sie an uns heranlassen, ist die Reizüberflutung nicht weit.  Doch wie schützt man sich in einem stressigen Bahnhof oder bei einer großen Feier?

Abgrenzung an sich ist ein großes Feld und umfasst sehr viele Faktoren, die wir nicht alle auf einmal betrachten können. Deshalb möchte ich in diesem Artikel erst einmal nur auf das Thema Grenzen setzen eingehen.

Der erste Schritt ist, seine Grenzen wahrnehmen zu können. Das hört sich so einfach an, doch oft erwischen wir uns dabei, dass wir Grenzen erst bemerken, wenn sie schon jemand überschritten hat. Also sei achtsam und erforsche, wo deine Grenzen liegen. Denn nur dann kannst du sie auch nach außen kommunizieren. Atmen und hineinspüren sind dabei der Schlüssel. Wenn du dich und deine aufsteigenden Gefühle beobachtest, merkst du ein ungutes Gefühl, sobald eine deiner Grenzen überschritten wird.

Lerne, deine Grenzen klar und deutlich zu äußern. Dein Gegenüber weiß sonst nicht woran er/ sie ist und kann nicht auf dich eingehen. Bleibe dabei, auch wenn du merkst, dass dein Gegenüber verletzt ist oder deine Grenze ihm/ ihr missfällt. Zu Anfang kann es zum Beispiel helfen nicht direkt ja oder nein zu sagen, sondern sich Bedenkzeit einzuräumen, genau hineinzuspüren, ob du das gerade möchtest oder nicht und dann eine Entscheidung zu treffen. Übernehme die Verantwortung für dich und deine Bedürfnisse. Es hilft niemandem, wenn du einknickst, deinem Gegenüber einen Gefallen tun möchtest und die Reizüberflutung dich letztendlich übermannt.

Zuletzt: Übung macht den Meister! Ich verspreche dir, wenn du immer wieder übst, wird das Grenzensetzen leichter und damit auch dein Alltag.

 

Was haben die Pferde nun damit zu tun?

Pferde sind hochsensible Wesen, die ihr Überleben in der Wildnis durch das Wahrnehmen von Energieveränderung sichern. Eine Pferdeherde muss gemeinschaftlich innerhalb von Sekunden flüchten, wenn Gefahr droht. Dabei helfen ihnen sogenannte Spiegelneuronen. Das sind Nervenzellen, die sozialen Wesen helfen, zu kommunizieren. Sie bewirken unter anderem, dass wir uns auf einander einstellen. Bei Menschen zum Beispiel, wenn wir unsere Art zu reden oder unsere Mimik und Gestik dem Gegenüber anpassen.

Pferde sind wahre Meister in diesen Dingen und können uns damit ungemein helfen. So spiegeln sie uns und machen unbewusste Prozesse eines Menschen sichtbar.

 

Ich habe die oben beschriebenen Tipps von den Pferden gelernt, in einem pferdegestützten Coaching.

Ich möchte ein solches Coaching als Erfahrungsbericht veranschaulichen:

 

An diesem Tag durfte ich ausprobieren, wie viel Energie genügt, um 'nein' zu sagen. Seine Grenzen wahrzunehmen und zu setzen ist für viele (hochsensible) Menschen schwierig, so auch für mich. Also trainierten mich die Pferde.

 

Ich wurde von ihnen bedrängt, abgeschlabbert und angeknabbert. Anfangs fand ich das ganz süß, aber irgendwann wurde ich ärgerlich und merkte, dass es meine Grenze überschritt. Also probierte ich verschiedene Strategien, um herauszufinden, was meine Aufgabe war. Erste Taktik: geschehen lassen. Das Resultat war ein immer heftiger werdendes Knabbern an meinem Knie. Da musste ich erstmal laut und sehr energievoll werden, da ich kurz davor stand ins Knie gebissen zu werden. Die starke Reaktion meinerseits war aber ebenfalls außerhalb meiner Wohlfühlzone. Also spielte ich damit, wie viel innerliche Stärke/ Energie ich brauchte, damit die Ponys mich nicht bedrängten. Es kam immer eins nach dem anderen, damit ich jedes Mal einen neuen Versuch starten konnte. Es reichte nun ein kurzes „Nein“ oder der Gedanke daran. Zuletzt kontrollierte die Herdenchefin, ob ich verstanden hatte und erfolgreich war. Ich bestand ihren Test und war erfüllt von Dankbarkeit für diese wertvolle Erfahrung.

Meine Energie war anfangs so stark, dass die Ponys verängstigt zurückgewichen sind. Dabei habe ich ‚nur‘ laut nein gesagt und mit den Händen gewedelt. Für viele wäre es vermutlich nicht erwähnenswert, aber ich nehme es intensiver wahr und habe mich damit unwohl gefühlt. Also habe ich das eingestellt und statt der anfänglich ärgerlichen Energie, versucht die Situation anzunehmen und ‚einfach nur‘ nein zu sagen. Die Emotion dahinter ist eine andere. Die ersten Male war es ein „Man, du überschreitest ständig meine Grenze!“, später ein „Hier ist meine Grenze, bitte respektiere das.“ Als ich mir meiner Grenze bewusst wurde und dies freundlich, aber bestimmt gesagt habe, wurde es für die Pferde klar, während der Ärger unvorhersehbar war.

 

Ich denke gerade für eine hochsensible und/ oder hochsensitive Person ist genau diese Verknüpfung zwischen Wissen und Fühlen, so unfassbar wertvoll.

 

Die Pferde geben uns die Möglichkeit, in einem wertfreien, geschützten Rahmen zu erforschen, uns auszuprobieren und zu üben.

 

Dann fällt es auch viel leichter neue, nun schon erprobte und für uns passende, erfolgreiche Strategien in den Alltag mitzunehmen und mit unseren Mitmenschen zu praktizieren.

 

veröffentlicht auf  http://www.hochsensiblepersonen.com/